Sonntag, 4. Juli 2010

TTTT - Tag 22, 23, 24 & 25


Liebes Tagebuch,

4:0! Gerne auch in Worten: Vier zu Null. Durch einen knappen Sieg gegen Argentinien zog gestern die deutsche Mannschafft ins Halbfinale ein. Die BILD hatte recht, als morgens titelte: "Heute kriegt Messi auf die Fressi!". Und die Frage muss erlaubt sein: schafft es Gegner Spanien weniger als vier Tore von uns zu bekommen? Ein Wahnsinn alles! Niemand hätte in seinen kühnsten Träumen erwartet, solche Leistungen unseres Teams zu sehen. Oder eines deutschen Teams überhaupt. In den 70er Jahren war ich nicht dabei, aber seitdem ich Fußball gucke, habe ich noch nie eine so gut spielende deutsche Mannschafft gesehen. Ein fast unbekannter Thomas Müller, der vor 1,5 Jahren noch gegen Fortuna in der LTU arena ein Tor erzielte, lehrt nun alle Abwehrreihen der Welt das Fürchten. Arne Friedrich wird zum internationalem Top-Verteidiger, Klose und Podolski zeigen es allen Zweifeln und demonstrieren ihr Können eindrucksvoll, Özil gilt als neuer Spielmacher schlechthin und Bastian Schweinsteiger schließlich zeigt, dass er nicht nur Weltklasseniveau hat, sondern dass es momentan auch keinen Spieler auf der ganzen Welt im zentralen Mittelfeld gibt, der besser ist als er. Wow, wirklich nicht zu glauben.
Zugegeben, die Partie lief nach Plan. Thomas Müller rächte sich für Maradonas Ignoranz, der ihn beim Freundschaftsspiel im März noch barsch aus der Pressekonferenz werfen lassen wollte, weil er ihn nicht erkannte. Jetzt kennt er ihn. Deutschland beherrschte Argentinien eine Halbzeit lang eindrucksvoll. Und just als die Argentinier immer gefährlicher wurden, begruben Podolski und Klose alle Hoffnungen. Der Rest ist etwas für die Höhepunkte: Schweinsteigers überragendes Solo und der letzte Nackenschlag durch Klose, der nur noch ein Tor braucht, um mit dem besten WM-Torschützen aller Zeiten - Ronaldo - gleich zu ziehen, eins mehr und er führt alleine. Miroslav Klose! Das muss man sich mal vorstellen! Und um den Bundestrainer zu zitieren: "Dass jetzt sogar Arne Friedrich ein Tor macht, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet!" Ja, ich auch nicht.
Ansonsten präsentierten sich die Argentinier anders als 2006 als faire Verlierer - bei einem 4:0 hat man auch wenig Argumente wegen äußerlicher Umstände. Und Diego Maradona, der vor dem Spiel noch die große Show abgezogen hatte mit Küsschen für jeden Spieler, gab sich auch ganz ruhig und weinte still in den Armen seiner Tochter, die Argentinien als Journalistin begleitet. Man sollte es kaum meinen, aber für ihn habe ich sogar mal keine Häme parat. So durchgeknallt der Typ ist, das Herzblut, mit dem er für Argentinien an die Sache ran gegangen ist, war absolut ehrlich. Ein großer Trainer ist er natürlich nicht, wahrscheinlich hätte Norbert Meier Argentiniens Defensive besser organisiert als er. Aber ein lustiges, irgendwie sympathisches Kerlchen war der Diego doch allemal. Adios!
Zu unseren Jungs könnte man noch viel mehr schreiben. Der Weg geht weiter und sie sind so oder so bis zum Ende des Turniers dabei. Das ist toll. Ich bin gespannt, wie es gegen Spanien weitergeht.

Denn die besiegten gestern Paraguay 1:0 und blieben ihrem kontrollierten Minimalismus treu. Das ist ein überragendes Team, doch überragende Spiele haben sie bisher kaum abgeliefert. Viel hängt vor allem von David Villas Topform ab. Und gestern hatte man Glück. Der vergebene Foulelfmeter Paraguays (bei dem diverse Spanier zu früh in den Strafraum liefen) war eine der entscheidenden Szenen. Gleich im Gegenzug gab es Elfmeter den Xabi Alonso souverän verwandelte. Da aber ein Paraguayer gerade mal einen Fuß im Strafraum hatte, ließ er ihn wiederholen. Würde man das pfeifen, müsste quasi jeder Elfmeter zigfach wiederholt werden. Den Nachschuss hielt Keeper Villar, foulte erneut, doch die Pfeife blieb stumm. Erneut machte also ein Schiedsrichter eine schlechte Figur. Ermüdend! Nach starken Aktionen von Iniesta und Villa gewann Spanien im Endeffekt verdient, aber nicht souverän.
Während ich diese beiden Partien bei Andy guckte und ihm zum Dank beim deutschen 1:0 erst einmal eine Flasche Bier übers Sofa kippte, hatte ich die anderen beiden Viertelfinals in Mayschoß bzw. Ahrweiler geguckt. Freitag weilte ich nämlich auf dem Firmenbetriebsausflug, ursprünglich geplant als Rotweinwandern, was sich aber - natürlich auch dem Wetter geschuldet - schlicht in Rotwein um wandelte. Meine niederländische Kollegin Anne war an der Partie Niederlande - Brasilien ebenso interessiert wie ich, der Rest wurde eher passiv zum Gucken gezwungen ("Wir schaffen die Römervilla doch sowieso nicht vor der Weinprobe"). Neben der Mayerschoßer Winzergenossenschaft befand sich eine nette Dorfkneipe, wo doch tatsächlich die Partie lief. Im Bahnhofs Bistro hatte sich nämlich eine Gruppe Holländer eingefunden, die alle Plätze belegten. Wo kamen die denn im gefühlten 5 Häuser-Ort her? Unsere Kneipe war aber auch in Ordnung. Der sympathische Wirt reagierte auch zurecht empört auf die Frage meines Kollegen Christian nach einem Bananenweizen und hätte ihn wohl fast eine verpasst. Hier würde sich also gut gucken lassen. Die von den Brasilianern souverän geführte erste Halbzeit verfolgten dann alle mehr oder weniger interessiert. Um 17:00 Uhr stand aber die Winzereibegehung und Weinprobe an, eine Verschiebung war nicht möglich. So brach die Gruppe auf, nur Anne und ich verblieben beim Spiel, auch wenn kaum Hoffnung bei den Niederländern bestand. Doch wie das manchmal so ist, glichen sie aus dem Nichts aus, schockten Brasilien, gingen sogar in Führung und die Brasilianer verloren die Nerven (Rot für Melo). 2:1, Holland im Halbfinale. Begleitet wurde das Spiel von eineigen Holländern (wo kamen die nur alle her?), die die zweite Hälfte auch dort verfolgten (und im schönsten rheinischen Platt parlierten). Nach 30 Minuten fragten sie uns dann, ob wir ebenfalls Pro-Niederlande wären, dass Anne sogar Niederländerin war, gab ein entsprechendes Hallo. Da es keine Verlängerung gab, konnten wir sogar noch einigermaßen pünktlich an der Weinprobe teilnehmen.Das Abendspiel schauten wir dann in einer Bar am Mayerschoßer Markt. Ein paar Kollegen und ich blieben nämlich über Nacht (Hotel war gebucht, da es möglich gewesen wäre, dass Deutschland abends im Halbfinale gestanden hätte). Uruguay - Ghana war zwar kein Langweiler, es fehlte aber das ganz große Momentum - bis zur 120. Minute. Uruguays Luis Suarez wehrte einen Schuss auf der Linie ab, der das sichere Aus für Uruguay bedeutet hätte. Rot und Elfmeter die Folge. Asamoah Gyan verschoss, so dass es Elfmeterschießen gab, welches Ghana - da konnte man jetzt die Uhr nach stellen - verlor. Äußerst bitteres Ausscheiden für "die Hoffnung Afrikas". Luis Suarez darf sich nun immerhin rühmen, vielleicht die perfekteste Rote Karte aller Zeiten bekommen zu haben.

Die Übernachtung in Ahrweiler, wo abends auch die Bürgersteige hochgeklappt wurden und man uns im einzig noch geöffneten Biergarten um 1:00 Uhr bat, ruhiger zu sein, da ihnen sonst die Konzession entzogen würde, war auch spaßig. Die Aussage des Hotelbesitzersohnes beim Frühstück, dass die "Kaasköppe" es leider geschafft hätten, führte glücklicherweise nicht zum gigantischen Fettnäpfchen, da die niederländische Kollegin noch nicht zugegen war. Bei gefühlten 50°C ging es im Zug zurück, sowohl in Bonn als auch Köln durfte man ganze Massen an Jugendlichen beobachten, die mit gutem Oettinger Pils bewaffnet, Public Viewing angingen. Gemessen am ohnehin schon vorhandenen Alkoholpegel, dürfte da der ein oder Andere aus den Latschen gekippt sein.
Mir hingegen geht es blendend, einen Tag später ist der Sieg immer noch grandios und ich kann es kaum abwarten, zu erfahren, wie es am Mittwoch weitergeht. Morgen bin ich unterwegs, aber pünktlich am Dienstag zum ersten Halbfinale Urugauay - Niederlande bin ich dann wieder zurück.

Dein Diego Maradona

1 Kommentar:

  1. Ja, das ist schon eine ganz feine Sache alles. Wenn ich das mit einer Deutschen Mannschaft vergleichen kann, dann vielleicht mit 1990. Natürlich hab ich das mit 9 Jahren damals anders gesehen, aber gefühlt war das ungefähr das Niveau (auch wenn damals Argentinien nur 1:0 besiegt wurde).

    Noch was zu der entscheidenden Szene bei Uruguay: Ich hab das auch so gesehen, dass das eine der besten roten Karten aller Zeiten war. Sportal allerdings nicht: "Diese grobe Unsportlichkeit wurde zu Recht mit der Roten Karte bestraft; gefeiert werden sollte Suarez auf Grund dieser Szene nicht." Also, ganz ehrlich: Das hätte jeder so gemacht. Ich seh das nicht einmal als grobe Unsportlichkeit an, eher wie eine Notbremse, die dann ja auch mit Elfmeter und Rot geahndet wird.

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